Zum Glück!

helvetisch begleitet Unternehmen ihre Einzigartigkeit im Interior Design zum Ausdruck zu bringen und schafft eigenständige Raumkonzepte. Im Bereich Hotellerie und Gastronomie arbeiten wir mit einem ausgewiesenen Kenner der Branche zusammen – mit Benedict Fornaro. U.a. war er für Royal Caribbean Cruise Lines und für The Leading Hotels of the World in führenden Positionen tätig und konnte in über 300 Hotels hinter die Kulissen schauen. Heute konzentriert er sich mit seinem eigenen Unternehmen auf das erfolgreiche Zusammenspiel zwischen Konzept, Gastfreundschaft und Wirtschaftlichkeit. Doch was braucht es konkret, damit ein Konzept erfolgreich wird? 

Zum Glück! - 1

Zum Glück gibt es kein goldenes Passpartout für ein erfolgreiches Hotel- und Restaurantkonzept. Doch eines ist offensichtlich, das Zusammenspiel zwischen Gastgeber, Angestellten, Gäste und Produkte ist eine diffizile Angelegenheit. Benedict Fornaro befasst sich mit Hotelkonzepten und deren Wirtschaftlichkeit und erklärt im Interview, welche messbaren Punkte zu beachten sind.

Benedict Fornaro, viele Dienstleister arbeiten an erfolgreichen Konzepten. Was ist das überhaupt und worauf sollte man als Hotelier oder Gastronom achten?
Mit dem Konzept beschreibt man gerne das Ungreifbare. Es ist eine Art generalistischer Ausdruck, der alle Facetten beinhaltet: grosse betriebswirtschaftliche Überlegungen bis hin zu den Kleinigkeiten, die den Gast glücklich machen. Es geht klassisch um Angebot und Nachfrage. Für Hotel- und Gastronomiekonzepte heisst das: Wie viele Leute Übernachten oder Essen? Welche Bedürfnisse möchte ich mit meinem Angebot abdecken? Jeder Hotelier überlegt sich warum die Gäste übernachten. Geht es um Erholung, ist man beruflich unterwegs oder hat man schlicht keine andere Möglichkeit als in diesem Hotel zu übernachten? Ich denke dabei an Beach Resorts, wo sich Gäste erholen bis hin zu Flughafenhotels, wo gestrandete Passagiere eine Bleibe suchen. 

Solche Überlegungen hinterfragen aber noch nicht das ganze Geschäftsmodel, oder?
Eigentlich schon: Für jede Art von Hotel und Restaurant sieht der Business Plan etwas anders aus. Einige Überlegungen müssen gemacht werden, wenn man durch geschickte Planung im Einkauf, durch Skaleneffekte oder durch mehr Umsatz Gewinn maximiert. 

An welchen Zahlen kann sich ein Hotelier und ein Gastronom orientieren?
Es gibt verschiedene Kennzahlen. Profit und Cash-Flow sind am naheliegendsten, sie zeigen jedoch «nur» das Resultat.
Die Auslastungsrate beziffert die durchschnittliche Belegung des Hotels. Ist sie höher als 90%, ist die Übernachtung zu günstig und man verliert Spielraum, um Zimmer zu renovieren oder unzufriedenen Gästen eine Alternative anzubieten. Für zu tiefe Auslastungszahlen gibt es Gründe wie zu hohe Zimmerraten, ineffiziente Verkaufsaktivitäten und mehr. Ein weiterer Indikator ist die Durchschnittsrate während einer bestimmten Periode. Diese Zahl verglichen zu den Kosten pro Zimmer hilft in der Einschätzung wie profitabel man wirtschaftet. Die durchschnittliche Aufenthaltsrate sagt aus, wie viele Nächte die Gäste im Haus bleiben. Diese Zahl hat einen grossen Einfluss auf das Angebot und die Organisation im Hotel. Bei mehr als vier Tagen, benötigt das Hotel zum Beispiel verschiedene Restaurants und Bars. Bleiben die Gäste ein oder zwei Tage sind die Bedürfnisse anders. 

Und wie siehts in der Gastronomie aus? Die Gäste sind ja viel kürzer im Etablissement.
Man hat weniger Zeit, beim Gast einen Eindruck zu hinterlassen. Aber auch hier gibt es Indikatoren, die man im Auge halten sollte: Der Umsatz pro «verfügbarer Sitz-Stunde» indiziert, ob man genügend Geld verdient. Sie sagt aus, wie viel Geld pro Sitz verdient wurde während den Öffnungszeiten. Dies hat eine direkte Auswirkung auf die Preisgestaltung des Menus oder die Geschwindigkeit, mit welcher man die Gäste bedient. Ein anderer Indikator ist der Warenaufwand. Überschreiten die Kosten für Essen und Getränke 30% des Umsatzes gehen bei den Gastronomen die Alarmglocken an. Diese Liste ist nicht abschliessend. Es gibt verschiedene Kennzahlen und selbst wenn alles stimmt, kann es aus anderen Gründen schlecht laufen im Geschäft.

Also haben auch Sie keinen goldenen Schlüssel für die Hotellerie und Gastronomie, oder doch?
Nein - zum Glück nicht! Beide Branchen sind unglaublich dynamisch. 

Neben den Zahlen, was macht ein erfolgreiches Konzept aus?
Jeder Gast wird emotional berührt und stellt Erwartungen, wenn er ein Hotel oder ein Restaurant betritt. Zum Beispiel gibt es unzählige Ferienresorts mit Strand, gutem Essen und tollen Suiten. Ob der Gast während dem Aufenthalt rundum glücklich ist, hängt vom zwischenmenschlichen Können des Personals und der «Softfaktoren» ab. Das heisst, ist das Hotelkonzept raffiniert und kreativ, ist die Qualität der Unterhaltung, der verarbeiteten Ware hochstehend und mehr. Unter dem Strich müssen die Erwartungen des Gasts übertroffen werden. Anders verhält es sich bei einem Hotel mit Geschäftskunden. Die Motivation und die damit verbundene Erwartung ist eine andere. Der Gast möchte zwar nicht unbedingt hier übernachten, macht aber das Beste daraus. Dies ist der Grund warum diese Hotels über gut bestückte Bars verfügen, rasche Bügel- und Wäscheservice anbieten oder Arbeitsplätze in den Zimmern. 

Das hört sich nach der sagenumwobenen «Customer Centricity» an.
Die Hotellerie ist wohl die Branche mit den grössten Erwartungen der Kunden gegenüber dem Dienstleister. Gastgeber sind stets gefordert, die Bedürfnisse der Kunden zu erkennen und zu befriedigen – und das profitabel!  

Können Sie dies anhand eines Beispiels erklären?
Ein spannender Fall für diese Herausforderungen ist die Audio-Technologie in den Zimmern. Die Gewohnheiten der Gäste haben sich stark verändert in den letzten Jahren: Vor zwanzig Jahren hatten luxuriöse Hotelzimmer Stereoanlagen in den Zimmern. In den 2000er Jahren verführten IPods und die ersten IPhones Hoteliers dazu, in Abspielstationen für diese zu investieren. Die damaligen Verbindungsstecker waren nach kurzer Zeit passé und die Geräte verstummten. Heute benötigt der Gast nur noch eine Bluetooth Verbindung zwischen Smartphone und Zimmer-System. Hoteliers investierten, um dann zuzuschauen, wie die Technologie innert kürzester Zeit veraltet. Das heisst aber nicht, dass die Investition vergebens war. 

Wie sieht die Zukunft der Hotellerie aus? Überleben Hotels die modernen Trends?
Wenn man sich den schlichten Zweck eines Hotels nochmal in Erinnerung ruft – ein Zimmer und ein Bett – kann man getrost sagen: Ja, Hotels überleben. Laut einer Studie der UNWTO sind 2018 1,33 Milliarden Hotelankünfte verbucht worden. Das sind 86 Millionen mehr als 2017. Die Frage nach der Form der Hotellerie hingegen ist berechtigt. Die Bedürfnisse der Gäste wie auch jene der Angestellten verändern sich. Es ist aber so, dass sich die Bedürfnisse schon immer verändert haben. Geschickte Hoteliers arbeiten mit dieser Veränderung tagtäglich. Es gibt immer innovative Konzepte, die den Bedürfnissen ihrer Zeit entsprechen; ob in Vergangenheit, heute oder in Zukunft. Darin liegt ja auch die Faszination für die Hotellerie und Gastronomie.  

Wo werden wir als Gäste die meisten Veränderungen sehen?
In den öffentlichen Räumen wird sich einiges ändern. Seit den 1990er Jahren haben Hotels viel in Spas investiert. Seit einigen Jahren möchten die Gäste nicht nur in Badeschlarpen entspannen, sondern auch in den öffentlichen Räumlichkeiten des Hotels. Hier vermischen sich Arbeit und Freizeit in Form von gemütlichen Sitzecken, Bibliotheken, Lounge Musik, Steckdosen und Arbeitsnischen. Für Hoteliers ist dies ein schwieriges Terrain, da wenig Umsatz generiert werden kann, die Gäste sich aber sehr wohl fühlen. 

Viele Hotels vermarkten Ihre Geschichte. Wie wichtig ist die Geschichte für ein Hotel oder ein Restaurant?
Geschichte im Sinne einer langen Tradition ist eigentlich nicht wichtig, solange man nicht versucht, ebendiese zu vermarkten. Viel wichtiger ist eine Art roter Faden – die Identität. Aus dem Stande kommt mir kein Hotel in den Sinn, das erfolgreich ohne Identität wirtschaftet. Wie gesagt, bei jedem Hotelaufenthalt geht es auch um Emotionen. Die Identität beeinflusst diese Emotionen.

Also doch der goldene Schlüssel zur erfolgreichen Hotellerie?
Nur ein Platzhalter! So klar die Tatsache, dass Identität wichtig ist, so schwierig ist die Beschreibung dieser Wesenszüge: Dies ist eine enorme Herausforderung. Die Identität beeinflusst unzählige Faktoren. Einer der Wichtigsten ist auf jeden Fall das Personal, das mit dem Gast im Kontakt ist. Die Basis dafür sind starke Werte, eine klare Vision und Ziele. Nur wenn die Identität in Form von eigenständigen Werten einfach und verständlich beschrieben wird, kann sie gelebt werden. Wenn das ganze Personal die Identität versteht, entsteht eine Grundhaltung, die bei jeder noch so kleinen Entscheidung mitspielt. 

Ist es oft so, dass die Persönlichkeit des Hoteliers und Gastgebers diese Identität festlegt?
Im Idealfall ist es der Gastgeber, der diese Herzlichkeit vorlebt. In grösseren Betrieben oder Hotelketten werden die Werte theoretisch festlegt und daraus entwickelt sich eine ansteckende Eigendynamik. Ein berühmtes Beispiel ist das Motto bei Ritz Carlton Hotels: «Ladies and Gentlemen serving Ladies and Gentlemen». Dieser Grundsatz der Würde, Aufrichtigkeit und Eleganz erkennt man in jedem Ritz Carlton Hotel – als Gast oder Angestellter. Auffallend ist, dass erfolgreiche Hotels über eine Identität verfügen, die mit jener der Gäste übereinstimmt. Entfremden sich Hotel und Gast, entsteht Konfusion und Enttäuschung. Auch hier gibt es kein Passepartout für die erfolgreiche Hotelidentität. Und auch hier gilt: zum Glück!

zurück